Schubladen-Gestaltung: Wie wir als Texter das menschliche Schubladen-Denken für unsere Zwecke nutzen können
12/17/20245 min read
In der Welt der Ideen gilt: Wer etwas benennt, der besitzt es. Können Sie ein Thema beim Namen nennen, gehört es Ihnen. ~Thomas L. Friedman~
Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen, als mich einer bei einem Unternehmer-Treff auf Zypern ständig als »eBook-Typ« betitelte.
Dass 80 Prozent meiner Buch-Einnahmen aus Taschenbuch-Erlösen stammen, wollte nicht in seinen Kopf gehen.
Das Urteil war besiegelt: Ich war »der eBook-Typ«.
Wir alle haben dieses Schubladen-Denken – und es ist seit der Steinzeit nützlich, um u. a. Freund von Feind zu unterscheiden. Das menschliche Gehirn kategorisiert, um nicht jedes Mal neu entscheiden zu müssen - und so eine Menge Energie einzusparen. Würde es das nicht tun, wären wir schon mittags mental platt.
Die Schubladen-Programmierung ist tief in unserem limbischen System (Reptilien-Gehirn) verankert.
Du kannst dir nicht aussuchen, ob du in eine Schublade gesteckt wirst, sondern nur, in welche.
Andernfalls werden dich die Leute in irgendeine Schublade stecken, welche vielleicht deinem Wesen widerspricht.
Dann hast du ein Image an der Backe, das du nicht haben willst.
Deswegen ist die bewusste Schubladen-Entscheidung, nach innen und außen, so wichtig.
Zwei Schubladen-Beispiele aus zwei Jahrhunderten
Muhammad Ali titulierte sich selbst (seitdem er ein Jugendlicher war), nach innen und außen als »The Greatest«. So wurde er in der Wahrnehmung zum größten Boxer aller Zeiten. Dafür, ob das statistisch gesehen denn so stimmt, interessieren sich nur die wenigsten. Ali diktierte der Welt seine Wahl-Schublade auf
Es geht bei dem unteren Werk von Alex Hormozi nicht um die Brand Alex Hormozi, sondern um die Schublade, in die der Leser den Autor stecken soll: Leads – er will der »100-M-$-Leads-Typ« sein.
Oder wie wäre es mit einem Quotenchinesen? Stephan Park nutzt (zur Schubladen-Bildung) Klischees selbstironisch und spielt mit ihnen, wie Kinder mit Ess-Stäbchen.
Stehe für deine Schublade, nicht für deine Persona*/Brand (*lat. Wort für Maske)
Tesla vermarktet weder sich noch ihre Fahrzeuge, sondern Elektro-Mobilität (Ideenmarke). Das ist ihre Schubladen-Mission.
Und warum kann Tesla dafür stehen?
Liegt es am Geld?
Ne, Tesla hat die ersten 17 Jahre rote Zahlen geschrieben.
Aber doch bestimmt am, mittlerweile, monströsem Werbe-Etat?
Tesla wächst organisch, und verzichtet gänzlich auf Push-Marketing (sich wiederholende Bezahl-Werbung).
Die einzigen Marketing-Stunts, kommen von Musk, wenn er wieder aus der Reihe tanzt, um sein Multiversum ins Gespräch zu bringen.
Kommt es vielleicht daher, dass das Unternehmen nach dem Vater der Main-Stream-Elektrizität (Nikola Tesla) benannt ist?
Nah dran. Der Titel ist überaus passend und schön griffig - aber daran liegt es nur zum geringen Teil.
Der wahre Grund, warum sie für eine gesamte Schublade stehen, ist, weil sie diejenigen waren, die sie aufgemacht haben: Tesla war die erste E-Auto-Marke.
Trotz seines großen Egos, geht es bei keiner von Elon Musks' Unternehmungen um ihn.
Er kommt nicht mit Selfies von sich und/oder einem Soja-Latte daher, wie der Klischee-Influencer.
Ferner springt er einen, durch den Bildschirm, an, um seine Kalender-Sprüche zu propagieren, wie Gary Vaynerchuk
Nein, Elon Musk ist auf Mission(en) und bedient fleißig Schubladen:
SpaceX steht für die Mission-Mars-Schublade;
SolarCity steht für die Welt-Solar-mach-Mission-Schublade;
X für die Free Speech auf Social Media-Schublade;
und Tesla hatten wir grade.
Angefangen hat sein raketenhafter Aufstieg mit der Mission, das Banken-Wesen zu revolutionieren (PayPal), wofür er, erstmal, eine neue Schublade erstellen musste: die des Zahlungs-Dienstleisters im Internet.
Die Mission “Banken-Revolution” scheiterte damals. Aber wer ist heute der Nummer-1-Zahlungs-Dienstleister im Internet?
Merke: Macht jemand eine Schublade öffentlichkeitswirksam auf, werden Schublade und ihr Schöpfer, automatisch miteinander assoziiert.
Lang lebe das limbische System!
Oberstes Schubladen-Gesetz: Sei der Erste oder mach's als Einziger.
Der Meister der Buch-Schublade ist Ryan Holiday. Bei ihm steht die "Modernisierung des Stoizismus" über allem.
Resultat: jeder, der sich mit dieser antiken Philosophie beschäftigt, stolpert über seine Arbeit - und jeder, der sich mit Ryan Holiday beschäftigt, assoziiert seinen Namen sofort mit Stoizismus. Er macht sein eigenes Wetter.
Meistens machen Kleinigkeiten im Wording den Unterschied.
Zwei der erfolgreichsten Online-Texter, Nicolas Cole 🚢👻 und Eddie Yoon unterscheiden sich durch zu spaltende Haare.
Während Cole für die Schublade »Digital Writing« steht, bedient Yoon »Data Driven Writing«.
Sie meinen dabei das Gleiche: datenbasiertes Texten.
Diese zwei Schwergewichte...
konkurrieren nicht;
designen und bedienen ihre eigene Schublade;
und schätzen einander sogar: Sie waren mal in der gleichen »Schreib-Band«, den Category Pirates.
Wenn ich jetzt hergehe und mir »Datenbasiertes Texten« auf den Leib schneider’, sind wir bei drei unterschiedlichen Schubladen – für ein und dieselbe Sache!
Oder wie wir im Norden sagen: »Das ist ein anderer Schnack«.
Alles eine Sache der Wortwahl; sie lenkt die Sichtweise. Worte erschaffen Realitäten.
Obwohl »Datenbasiertes Texten« ein Kapitel meines aktuellen Buches ist, ist es nicht meine Schublade - meine Schublade heißt »Effective Nonfiction«.
Fokus ist hier das Stichwort: Du solltest bei (d)einer Schublade bleiben und drumherum veröffentlichen.
Stelle dir dazu die Trilogie-Frage: Kann ich mir vorstellen, mindestens drei Bücher rund um mein Gebiet veröffentlicht zu haben, die es noch nicht gibt?
Ob du es tust, steht auf einem anderen Blatt – Vorstellungen machen Schubladen.
Als George Lucas den ersten Star-Wars-Teil schrieb, hatte er die Trilogie im Hinterkopf – lange bevor er das Go für den ersten Film bekam.
Denke in Trilogien – veröffentliche in Premieren.
Bediene dich dazu des Lösungs-Paradoxons: Probleme erzeugen Lösungen; diese Lösungen erzeugen neue Probleme. Besonders die Meister der Anleitung lösen Probleme, die sie selbst (zwangsläufig) erzeugt haben. Deshalb bringen sie Bücher heraus, die sich ergänzen.
Bringst du mehr Bücher rund um dein Gebiet heraus, wird es zu deinem Territorium, deiner Hood, deinem einzigartigen Revier.
Zeitlose Weisheit: Jedes Mal, wenn du dich breiter aufstellen willst, mache das Gegenteil und grabe tiefer!
Je spezifischer du dein Buch positionierst, desto besser!
Besonders am Anfang gilt: Immer wenn du glaubst, zu spitz positioniert zu sein, gehe noch spitzer!
Benutze hierzu die Sonnen-Schirm-Methode: Gehe zuerst spitz rein, um mit einem Buch nach dem anderen immer breiter aufzumachen.
Ich weiß, es klingt kontraintuitiv.
Dazu aus dem Nähkästchen: Der erste (einigermaßen vernünftige) Untertitel für mein Buch war »Wie du ein zeitloses Buch schreibst«.
Aha, was denn für ein Buch? Es gibt auch zeitlose Romane, Kurzgeschichten und Märchen.
Die Autoren solcher Werke könnten denken, dieses Buch hole sie ebenfalls ab, sofern es ein Spontan-Kauf war, bei dem sie den Haupt-Titel überlesen hätten.
Auf die Abholung könnten sie lange warten können. Die Enttäuschung wäre groß.
Und was soll das mit »schreiben«? Die Schublade »handwerklich präzises Deutsch« gehört bereits Wolf Schneider.
Ich blickte (wiederholt) ins Inhaltsverzeichnis – und fragte mich: Was machen wir hier eigentlich?
Mir fiel auf, dass wir unser Sachbuch zuerst planen und dann schreiben, um es, final, zu veröffentlichen. Fertig war der optimierte Untertitel.
Ich hatte Schiss.
Die Buchsen voll.
Aber ich tat es, weil ich wusste, dass es das Richtige war.
Autoren, die sich zu breit aufstellen, erkennst du am Rezensions-Muster. Dort stehen so Sätze wie »Ich dachte erst, dass …«, »Eigentlich hatte ich erwartet, dass …«, »Dieses Buch erfüllt nicht meine die Erwartungen, weil …«
Dagegen treffen spitze Bücher den Nagel auf den Kopf. Sie sind am leichtesten zu bewerben: all-in oder all-out: Entweder das ist was für dich (dann aber voll) oder halt nicht – null böses Blut.
Es geht nicht darum, wie Columbus neue Ufer zu entdecken, sondern wie Picasso einen neuen Stil zu schaffen; darum, auf etwas Bestehendes, mittels Wortwahl, eine neue Perspektive zu zeichnen.
Oder, damit Praktiker es besser greifen können: Eine Schublade ist eine selbstgebaute Sub-Kategorie. Wir lösen bestehende Probleme durch neue Sichtweisen.
Gehe in keinen Markt – schaffe dir deinen Markt.
3 Langzeit-Schritte zur eigenen Schublade
Erstelle dir deine eigene (und einzigartige) Schublade.
Nimm sie ein und fülle sie aus.
Ziehe ins Feld, indem du die Schublade (wiederholt) kommunizierst.
Egal ob Buch, Online-Kurs oder Texte auf LinkedIn, in welche Schublade willst du gesteckt werden?*
*Willst du die Samstags-Kolumne schon am Donnerstag erhalten? Und das auch noch Freihaus ins virtuelle Postfach serviert bekommen?
Dann trage dich dazu (ganz oben) auf sebastiansylvester.de ein.
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